Autismus

Autismus-Spektrum-Störungen gehen unter anderem mit Besonderheiten in der Reizverarbeitung einher, wodurch alltägliche Situationen und soziale Interaktionen oft herausfordernd sein können. Ein „fehlender sozialer Autopilot“ führt dazu, dass soziale Regeln und Signale bewusst erlernt und interpretiert werden müssen. Das ist auf Dauer ganz schön anstrengend! Gleichzeitig verfügen autistische Menschen über bemerkenswerte Eigenschaften und Fähigkeiten wie Ehrlichkeit und Loyalität, ein hohes Engagement, Detailgenauigkeit, analytisches Denken, einen schrägen Humor und eine besondere Leidenschaft für ihre Interessen. Manchmal können diese tollen Fähigkeiten im Laufe des Lebens durch die Herausforderungen des Alltags - oder weil der Autismus bisher unerkannt blieb - immer weiter in den Hintergrund treten oder gar völlig verschütt gehen. Übrig bleiben dann oftmals nur ein Gefühl der Andersartigkeit und eine ständige Überforderung. Nicht selten resultieren schwerwiegende Folgeprobleme wie psychische Erkrankungen, ein niedriger Selbstwert, Identitätsprobleme, soziale Isolation oder Probleme am Arbeitsplatz. Mit meiner Arbeit möchte ich Betroffenen helfen, einen positiven Blick auf sich selbst zu entwickeln, das eigene Leben neugierig und selbstbewusst zu gestalten und mutig die eigenen Wege zu gehen.

Autismus-Diagnostik


Eine frühe Diagnose und gezielte Förderung können helfen, negativen Folgen zu minimieren und die eigenen Stärken besser einzusetzen. Nicht selten jedoch haben Menschen, die erst im Erwachsenenalter eine Autismus-Diagnostik durchlaufen (können), einen langen Leidensweg hinter sich. Unerkannte Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) haben häufig weitreichende Folgen für Betroffene, da ohne Diagnose oft das nötige Verständnis und die richtige Unterstützung fehlen. Wenn Sie vermuten autistisch zu sein, kann es sinnvoll sein, das im Rahmen einer ausführlichen Diagnostik zu überprüfen. So erhalten Sie Klarheit und können ggf. eine entsprechende Behandlung in Anspruch nehmen.

Die Diagnostik von Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) bei Erwachsenen ist ein strukturierter Prozess, der viele verschiedene Bausteine umfasst und insgesamt recht aufwändig ist. Die zielgerichtete biografische Anamnese dient der Erfassung von lebenslangen Verhaltens- und Erlebensmustern in sozialen, beruflichen und privaten Kontexten. Es ist hilfreich, wenn Angehörige (meist die Eltern) Auskunft über die Entwicklungsgeschichte geben können (schriftlich über einen Elternfragebogen oder telefonisch). Da dies nicht immer möglich ist, nutze ich verschiedenste Informationsquellen (Grundschulzeugnisse, Berichte aus Ergo- oder Psychotherapien, Klinikberichte, IQ-Testungen aus der Kindheit etc.), um ein möglichst umfassendes Bild von Ihnen zu erhalten. Das klinische Interview orientiert sich an den ICD-11-Kriterien für Autismus-Spektrum-Störungen. Hierbei berücksichtige ich auch die Besonderheiten bei hochfunktionalen bzw. "high masking"-Erscheinungsformen, die häufig bei weiblich sozialisierten Personen, bei überdurchschnittlich ausgeprägten kognitiven Fähigkeiten oder bei zusätzlich vorliegender ADHS-Symptomatik auftreten. Zur strukturierten Verhaltensbeobachtung setze ich eine modifizierte Version des ADOS-2 (Modul 4) ein, der mit seiner eher spielerischen Aufmachung von vielen Patienten als auflockernd und wegen seiner zum Nachdenken anregenden Fragen als persönlich bereichernd wahrgenommen wird. Um funktionale Beeinträchtigungen im Alltag oder Beruf zu erheben, nutze ich den sog. Mini-ICF-APP. Diese Einschätzung wird später für Sie nützlich sein, wenn Sie beispielsweise einen Pflegegrad, einen GdB oder andere Teilhabemaßnahmen beantragen möchten. Es werden außerdem verschiedene standardisierte Fragebögen zum Einsatz kommen (testpsychologische Untersuchung) - auch über die Autismus-Symptomatik hinausgehend. Denn eine saubere Diagnostik enthält immer eine umfassende Differenzialdiagnostik. Sollten sich in einem Screening Hinweise auf zusätzliche Störungen ergeben, wird dies im klinischen Gespräch genauer abgeklärt. Es ist wichtig, neben autistischen Merkmalen auch mögliche Begleit- oder Folgeerkrankungen zu erfassen, um abschließend eine passende Behandlungsempfehlung aussprechen zu können. Sofern noch keine Intelligenztestung erfolgt ist, kann ich mit Ihnen einen recht kompakten IQ-Test durchführen, der zumindest eine grobe Einschätzung Ihrer Fähigkeiten zum logischen Schlussfolgern erlaubt. Um körperliche Begleiterkrankungen zu erfassen und um somatische Erklärungen für die Symptomatik auszuschließen, muss eine ärztliche Abklärung erfolgen. Ein Besuch bei Ihrem Hausarzt ist in der Regel ausreichend. Und schließlich werden die Ergebnisse des langen Prozesses in einer Abschlusssitzung erläutert und eingeordnet, sowie Behandlungsmöglichkeiten besprochen. Natürlich erhalten Sie einen ausführlichen Bericht über den Prozess und das Ergebnis.

Da der diagnostische Prozess sehr zeit- und ressourcenintensiv ist, führe ich vorab mit Ihnen ein telefonisches Vorgespräch (ca. 15-20 min, kostenlos). Sollte Telefonieren für Sie eine Hürde darstellen, sende ich Ihnen stattdessen gerne einen kurzen Anamnesebogen per Mail zu. Nur bei hinreichendem Verdacht auf ASS erfolgt die Einbestellung zur persönlichen Diagnostik. Infos zu den Kosten der Autismus-Diagnostik erhalten Sie hier.

Behandlung


Ist die Diagnose geklärt, können therapeutische Maßnahmen folgen. In Form einer Einzeltherapie (Verhaltenstherapie) kann ich Sie beispielsweise dabei unterstützen, Ihre Bedürfnisse und Gefühle besser kennenzulernen und zu regulieren. Das Thema der eigenen Identität ist sehr häufig ein zentrales. Viele Betroffene, vor allem spät diagnostizierte, haben bei dem Versuch "normal" zu sein, sehr viele Ressourcen in Anpassung, Kompensation und Masking investiert und haben dadurch wichtige Schritte in der Persönlichkeitsentwicklung nicht oder noch nicht ausreichend vollziehen können. Über die Arbeit mit sog. inneren Anteilen können Sie einen einen Zugang zu sich selbst entwickeln, der (hoffentlich) für mehr Eigenverständnis und Selbstakzeptanz sorgt. Psychoedukation stellt bei dieser Therapie einen besonders wichtigen Baustein dar. Denn nur wenn Sie Experte für sich und Ihre ganz persönlichen Eigenheiten in Reizverarbeitung wie auch in sozialer Kommunikation und Interaktion sind, werden Sie auch langfristig gut für sich sorgen können. Es ist wichtig, dass Sie es lernen, Ihren Alltag so anzupassen, dass Reizüberflutung und Überforderung nicht mehr an der Tagesordnung sind. Ziel der Therapie ist es natürlich auch, die Folgeprobleme wie Depressionen, Ängste, interaktionelle Schwierigkeiten, etc. zu verringern und Ihr Wohlbefinden und Ihren Selbstwert zu verbessern. Wenn Sie möchten, können Bezugspersonen (Partner, Eltern, Geschwister, Kinder oder enge Freunde) zu einzelnen Sitzungen eingeladen werden. Ich halte es für überaus wichtig, dass auch Angehörige Wissen über ASS aufbauen und gegenseitiges Verständnis für unterschiedlichste Bedürfnisse gefördert wird. Sollten zusätzliche Störungen oder Neurodivergenzen wie ADHS oder Depressionen vorliegen, kann eine medikamentöse Behandlung sinnvoll sein. Ich empfehle dies mit einem Facharzt (Psychiater oder Neurologe) zu besprechen, eine Zusammenarbeit unterstütze ich. Außerdem können Selbsthilfegruppen eine weitere tolle Ergänzung sein, um sich mit Betroffenen auszutauschen und praktische Tipps zu erhalten.

AuDHS


AD(H)S und Autismus sind zwei unterschiedliche neurologische Varianten – doch sie treten erstaunlich häufig gemeinsam auf. Studien zeigen, dass etwa 30–80% der autistischen Menschen auch ADHS-Symptome haben und umgekehrt bis zu 50% der Menschen mit ADHS autistische Merkmale zeigen. Dieses Zusammenspiel wird als „AuDHS“ bezeichnet.

Da Symptome der beiden Neurodivergenzen sich überlagern oder kompensieren können, wird AuDHS oftmals lange Zeit übersehen. Die folgenden Beispiele sollen veranschaulichen, wie das Zusammenspiel der Symptome dazu führen kann, dass sowohl Betroffene und Angehörige als auch Behandler den Kern der Problematik nicht greifen können: Während ADHS-Betroffene häufig viele und/oder extreme Reize suchen, kämpfen autistische Menschen mit Reizüberflutung – in Kombination kann dies zu extremen Erschöpfungszuständen führen. Die durch Autismus bedingten Schwierigkeiten in sozialer Kommunikation und Interaktion können zwar mit der AD(H)S-typischen Kontaktfreude nach außen scheinbar "bewältigt" (oder vielleicht eher maskiert) werden, doch entstehen im Inneren häufig schwer aushaltbare Widersprüche und Unsicherheiten, was wiederum emotional sehr belastend sein kann. Im Kindesalter wirken Betroffene häufig wenig auffällig oder "nur ein bisschen verpeilt". Denn die ADHS-typische Chaosneigung und Vergesslichkeit wird durch die starre Ordnungsliebe des Autismus wettgenmacht. Erst wenn äußere Strukturen wegfallen (z. B. in der Oberstufe oder im Studium), bricht das System zusammen. Doch dann denkt kaum einer noch an AD(H)S oder gar Autismus - das hätte schließlich schon viel früher auffallen müssen. Später im Berufsleben können Personen mit AuDHS auf den ersten Blick sehr organisiert wirken, weil sie durch strikte Regeln ihre AD(H)S „im Griff“ haben. Doch wenn unerwartete Aufgaben oder plötzliche Änderungen auftreten, geraten sie schnell in Stress, weil die autistischen Routinen unterbrochen werden und die AD(H)S für Chaos sorgt.
Das alles hat zur Folge, dass viele Betroffene - wenn überhaupt - erst im Erwachsenenalter zu einer korrekten Diagnose gelangen. Meist haben diese Menschen dann bereits einen langen Leidensweg hinter sich gebracht, der geprägt ist von Unverständnis, Selbstablehnung bis hin zur Selbstaufgabe, Überforderung und Hilflosigkeit aller Beteiligten und zuletzt auch erfolglosen Behandlungsversuchen aufgrund von Fehldiagnosen. Nur wenige Betroffene entwickeln keine Folgestörungen. Die Regel ist leider, dass im Laufe der Jahre meist nicht nur eine, sondern mehrere psychische wie auch körperliche Folgeerkrankungen entstehen.

Doch AuDHS bringt nicht nur Herausforderungen, sondern auch besondere Stärken mit sich: Die kreative Denkweise von ADHS gepaart mit der analytischen Tiefe des Autismus ermöglicht oft außergewöhnliche Lösungsansätze. Auch haben Menschen mit AuDHS häufig eine hohe Authentizität und Eigenständigkeit. Mit ihrer unverfälschten, direkten Art finden sie schnell Anklang in ihrem Umfeld, sodass ihr unkonventionelles Denken auf Akzeptanz stößt. Während autistische Menschen sich tief in Spezialinteressen vertiefen können, haben ADHS-Betroffene oft eine große Begeisterungsfähigkeit für viele Themen. In Kombination kann dies zu einem breit gefächerten und tiefgründigem Wissenspool führen. Und schließlich verhindert die durch den Autismus bedingte enorme Beharrlichkeit, dass allzu impulsiv Ziele aus den Augen verloren werden.

AuDHS-Diagnostik


Die AuDHS-Diagnostik entspricht im Grunde der Autismus-Diagnostik, erweitert durch ein klinisches Interview zur AD(H)S-Symptomatik. Aufgrund der im Absatz zuvor beschriebenen gegenseitigen Kompensation der Symptome, sind die Merkmale im Außen jedoch viel subtiler als bei einer "reinen" AD(H)S oder ASS. Während bei reinem AD(H)S oder Autismus oft äußere Verhaltensweisen auffallen (z.B. Hyperaktivität oder soziale Rückzugsneigung), spielt bei AuDHS die innere Dynamik eine große Rolle. Viele Betroffene entwickeln im Laufe ihres Lebens ausgeklügelte Kompensationsstrategien, die nach außen hin unauffällig wirken, aber innerlich viel Energie kosten. Standardisierte Tests reichen hier oft nicht aus, da sie häufig äußere Verhaltensweisen erfragen und nur selten das Innenleben einer Person erfassen. Das führt nicht selten zu "negativen" oder sehr durchmischten Testergebnissen. Als Diagnostikerin muss ich folglich verstärkt die innere Verarbeitungsprozesse erfragen. Entscheidend ist eine detaillierte Anamnese mit Fokus auf innere Erlebensweisen und auf Phasen, in denen sicherheitsgebende Strukturen weggefallen sind.

Therapie von AuDHS


Da sich AuDHS bei jeder Person anders äußert (weil jeder Mensch total individuell ist), ist eine maßgeschneiderte Diagnostik und Therapie wichtig. In meiner Praxis begleite ich Sie dabei, Ihre individuelle Mischung aus Stärken und Herausforderungen zu verstehen und einen Weg zu finden, der zu Ihnen passt. Wie auch in der Therapie von AD(H)S und ASS sind typische Themen die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität, das Kennenlernen und Akzeptieren der eigenen Bedürfnisse, der Umgang mit Emotionen und Menschen und meist auch die Aufarbeitung von schlimmen Kindheits- und Jugenderfahrungen. Als besonders sinnvoll erachte ich das Ablegen von Masking-Strategien - zumindest im privaten Bereich und wenn möglich auch beruflich. Das erfordert jede Menge Mut, doch es lohnt sich. Denn Masking kostet unglaublich viel Kraft und Ressourcen und ist ursächlich für Erschöpfungszustände. Ein gutes Argument gegenüber all den nützlichen Auswirkungen und Vorteilen des Masking, von denen allerdings meist das Umfeld mehr hat als Betroffene selbst.
Auch bei der Behandlung von AuDHS sind Psychoedukation und der Einbezug von Angehörigen ein wichtiger Bestandteil der Therapie. Der Besuch einer Selbsthilfegruppe und die Begleitung durch einen Facharzt sind ebenfalls empfehlenswert.

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M. Sc. Psych. Hannah Kammüller
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